Predigt luther-lounge
23.6.2019
Lutherkirche Westerrönfeld
Pastor Rode Zimmermann-Stock
Am Anfang schuf Gott Himmel und Erde,
und ich glaube,
liebe FreundInnen und Freunde der lutherlounge,
er hat sich etwas dabei gedacht.
Und ich meine jetzt nicht, dass zu jedem Topf ein Deckel passt, dass jedes Tierchen sein Habitat findet, seine Nische, dass auf Tag Nacht folgt, Regen und Sonne die Pflanzen wachsen lassen, sondern dass in der Schöpfung auch eine Botschaft steckt.
Ich glaube, dass sich in der Schöpfung der Schöpfer zu erkennen gibt, wie in einem Bild der Künstler, in einem Musikstück genauso der Komponist wie auch der Musiker, der es je für sich interpretiert.
Für diese lutherlounge haben wir gedanklich einen ganz langen Anlauf genommen, um ein Thema zu finden. Ich glaube es fing damit an, dass Birgit erzählte, es gibt so Momente im Leben, da ist sie froh und glücklich, da spürt sie das Leben, da spürt sie sich mit Gott sehr verbunden und dann glaubt sie Gott freut sich und ist fröhlich mit ihr.
Ich kenne auch so Momente, da lache ich – gar nicht mal in mich hinein, sondern eher – vor mich hin und ich kann diesen Gedanken von Birgit sofort für mich nachempfinden. Da spür ich bewusst und intensiv meine Geschöpflichkeit.
Wenn einem etwas Gutes widerfährt, das ist schon ein Lächeln wert… und ich sage es einmal ganz banal, ich glaube Birgit und ich haben denselben Gott: Ich glaube auch mein Gott lacht mit mir und freut sich am Leben.
Ich glaube Vielen geht es so, wie uns beiden. Dort wo wir glücklich, zufrieden, in Einklang mit der Welt sind, da fühlen wir uns unserem Schöpfer ganz nah. Ich kann „mit meinem Gott über Mauern springen“, so wird König David im 2. Samuelbuch (22, 30) zitiert, genau so einen Gott meinen wir.
Birgits Gott, Davids Gott, dein Gott, mein Gott, unser aller Gott, „O mein Gott“ und da waren wir dann mitten drin.
Wir machen uns Bilder von Gott und dann?
Die Religionskritik des 19. Jahrhundert mit Feuerbach, machte der Religion dies zum Hauptvorwurf: Die Religion konstruiert sich ihren Gott selber. Gott ist nur eine Projektion der unerfüllten Wünsche des Menschen: Wir erleben Krieg und beten den Gott des Friedens an. Wir erleben uns in Ohnmacht und glauben an den allmächtigen Gott, wir ärgern uns über die Ungerechtigkeit in dieser Welt und wähnen Gott als Richter, der den Bösen verdammt oder im Fegefeuer zur Besinnung bringt.
„Der Gott der Menschen ist nichts anderes, als das vergötterte Wesen des Menschen.“, sagte Feuerbach.
„Ja, genau!“, sagt die Kritik der Religionskritik und deshalb müssen wir uns auf die Suche nach dem wahren Gott machen und ihn von diesen menschlichen Bildern befreien.
René Descartes, der große französische Philosoph, ist für den Satz bekannt: cogito ergo sum – Ich denke, also bin ich.
Das menschliche Denken wird damit zum archimedischen Punkt menschlichen Selbstbewusstseins.
Sich selbst als existierend zu erkennen, schließt das philosophische Gebiet der Physik ab und dann kommt die Metaphysik mit der Frage: Was befindet sich hinter unserem Erkenntnishorizont? Bei Descartes ist es Gott, als Garant dafür, dass ich mich in meinem Denken oder über das Denken selber nicht täusche.
Dies zeigt das Dilemma der Religionskritik. Sie erkennt zwar, dass wir uns immer wieder unseren Gott nach unseren Bedürfnissen stricken, aber dies schließt einen Gott an sich nicht aus und dieser könnte auch zufällig – oder selbst gewollt – genauso sein, wie wir ihn uns vorstellen. Nur weil wir uns einen Gott wünschen, dessen Frieden höher ist als all unsere Vernunft, schließt dass genau diesen Gott ja nicht aus und möglicherweise sagt dieser Wunsch mehr über unsere Geschöpflichkeit als wir ahnen.
Halten wir fest: Unser Erkenntnishorizont, was die Gotteserkenntnis betrifft ist beschränkt. Als Erkenntnisgrund bleibt uns eigentlich nur das, was wir Offenbarung nennen. Das, wie Gott sich uns zeigt: In der Schöpfung, in der Begegnung mit vielen Menschen, die uns ihre Erfahrungen in der Bibel mitgeteilt haben und für uns Christen vor allem in seinem Sohn Jesus Christus.
Wir haben viele Vorstellungen von Gott, das wurde uns in unseren Vorgesprächen immer klarer und damit kristallisierte sich für uns eine Frage heraus:
Wie stellt sich Gott uns eigentlich vor?
Im doppelten Sinne natürlich:
- Wie er sich uns vorstellt – Wie er sich uns also offenbart.
- Wie er sich uns vorstellt – Was er eigentlich von uns erwartet.
A propos Vorstellung, es gibt da eine Selbstvorstellung, die ist Kult. Rüdiger Hoffmann hat seine Selbstvorstellung zum Markenzeichen gemacht: Ja, hallo erstmal! Ich weiß gar nicht, ob Sie`s wussten, aber…
Die Idee für unser Thema war geboren:
Ja, hallo erstmal! Ich weiß gar nicht, ob Sie`s wussten: Ich bin`s Gott… Wie Gott sich uns vorstellt!
Und damit war im Grunde auch das Anspiel gesetzt: Die Geschichte mit dem Hochwasser, wir haben gelegentlich im Grußwort zur Konfirmation gehört und heute hier gesehen. Wenn wir uns fragen, wie Gott sich uns vorstellt, dann haben wir es also einmal mit der Frage der Gotteserkenntnis und der Frage nach der Geschöpflichkeit des Menschen zu tun.
- Zum Problem der Gotteserkenntnis
Bei Trauungen lese ich gerne aus dem 1. Korintherbrief im 13. Kapitel, das Hohelied der Liebe: Glaube, Hoffnung und Liebe, diese drei…, [Sie kennen das!] und dort heißt es auch:
Denn jetzt sehen wir alles in einem Spiegel, in rätselhafter Gestalt, dann aber von Angesicht zu Angesicht. Jetzt erkenne ich stückweise; dann aber werde ich erkennen, wie ich erkannt bin. Hier in dieser Welt können wir Gott nicht erfassen, nicht erkennen, sondern Gott gibt sich uns zu erkennen. Daraus ergibt sich Gottes Personalität: Gott existiert für sich und in Kommunikation mit uns. Gott wendet sich den Menschen zu, aber er ist selbst kein Mensch, das macht z.B. der Schöpfungsbericht deutlich. Gott ist einzigartig.
Was lässt sich sonst über Gott sagen?
Ich glaube vor allem dies: Er nennt uns seinen Namen und ruft uns damit auf, ihn im Gebet anzusprechen!
Dazu passen die beiden großen und ältesten Spuren Gottes in der Bibel: Sein Gruß und Gruß aller Seiner Boten und Engel „Fürchte Dich nicht!“ und sein Wort „Ich will bei Dir sein“, das gerade die ältesten Schriften, wie ein roter Faden durchzieht! Beides kommt in Jesu Christus zusammen, geboren als Mensch, um uns die Angst zu nehmen, Gottes großes „Fürchte Dich nicht!“ und sein Leben unter den Menschen, sein Tod und seine Auferstehung, weil wir leben und sterben und Gott immer bei uns sein will.
Liebe FreundInnen und Freunde der lutherlounge,
wenn wir von Gott reden, dann impliziert dies zwei Paradoxaen, wir können nicht über Gott als Ganzen reden, weil wir nur wissen, was er uns gezeigt oder gesagt hat und Gottes Freiheit als Person und seine Lebendigkeit machen eine Festlegung Gottes unmöglich. So schließt Gottes Allmächtigkeit nicht aus, dass er dem Menschen seine eigene Macht und Freiheit gewährt. Oder einfacher: Dass Gott etwas kann, heißt nicht, dass er es auch tut oder so tut, wie wir es erwarten. Das beste Beispiel dafür ist unser Anspiel.
Es zeigt sich, dass die Frage, wie sich uns Gott offenbart keine Rückschlüsse auf sein Sein selbst zulassen,
[Dass wir uns aber Bilder von Gott machen, hat im Grunde einen sehr berechtigten Zweck, nämlich Lob auszudrücken: Ob barmherzig oder gerecht, gnädig oder zornig, himmlischer Vater oder Retter der Welt, wir beschreiben damit kein abschließendes Wesen Gottes nur unsere eigene Erfahrung mit Gott, für die wir je und je dankbar sind; wie Birgit auch ein Bild hat, wenn sie sagt: Gott freut sich mit mir! Und dankbar ist, dass Gott sich ihr so zeigt.]
Mithin ist die entscheidende Erkenntnis die, dass Gott sich uns überhaupt offenbart, dass Gott uns seinen Namen schenkt. Gott stellt sich uns mit Namen vor, damit wir ihn anrufen können. Das ist alles, was wir konkret über Gott sagen können und das ist ganz viel!
Ich war Freitag mit meiner Frau und meinem Sohn Linus auf dem Udo Lindenberg-Konzert in Hamburg und ich habe meinem Sohn meine Visitenkarte in die Tasche gesteckt: Meinen Namen und meine Nummer, damit er, falls er verloren geht, meine Nummer hat. Das war, nach seiner anfänglicher Irritation darüber, dass er überhaupt verloren gehen könnte, ein gutes Gefühl für ihn. Gott sagt uns seinen Namen, damit wir ihn anrufen können. Dass das ein Zeichen der Liebe ist, liegt auf der Hand, wenn wir Descartes folgen und annehmen, dass Gott uns nicht täuschen will.
Somit folgt aus der Frage nach der Gotteserkenntnis die zweite Frage: Was er eigentlich von uns Menschen erwartet oder wie Gott sich uns vorstellt!
- Die Geschöpflichkeit des Menschen
Vielleicht dies vorweg: Wenn wir von Geschöpf und Geschöpflichkeit sprechen, dann immer in dem Wissen, dass diese Welt eine mir zugewendete Gnade Gottes ist. Die Erkenntnis über den Menschen speist sich zum einen aus unseren Lebenserfahrung und den überlieferten Erfahrungen unserer Spezies und zugleich auch aus biblischen Erzählungen und Bildern. Ein stückweit gilt vom Menschen, wie von Gott, dass wir einander nicht vollständig verstehen können, aber menschliches Handeln per se ist berechenbar.
Darüber hinaus gilt vom Menschen:
* Das Dasein des einzelnen Menschen ist zufällig und endlich. [anders als Königs und Kaiser früher dachten und einige Politiker heute]
* Er unterscheidet sich von Gott, er ist nicht Schöpfer des Lebens, er hat keine Administratorenrechte, er hat aber Autorenrechte für das Leben, wie bei Computerbenutzern so fein unterteilt wird.
* Der Mensch, da sind sich Naturwissenschaftler und die Bibel einig, ist Spätankömmling in der Welt und nimmt dann eine besondere Rolle ein. Die Bibel spricht von Gottesebenbildlichkeit, ob Descartes „ich denke also bin ich“ als naturwissenschaftliche Beschreibung dieser menschlichen Besonderheit reicht, vermag ich nicht zu sagen.
* Die Schöpfung als solche ist gut, das Geschöpf Mensch kann diesem Schöpfungswillen entgegenwirken. Die Abweichung vom Guten nennen wir religiös Sünde.
* Der Mensch kann lernen, er bildet Kultur heraus, er kann sprechen, er kann Moral ausbilden, er besitzt Handlungsfreiheit und er kann das alles über den Haufen werfen.
Was kann man nun daraus lernen über unsere Frage: Wie Gott sich uns vorstellt? Was ist nun Gottesschöpfungswillen für uns? Gibt es eine Schöpfungsordnung an die wir uns halten sollen, wenn wir Gottes Vorstellungen entsprechen wollen?
Klassisch lehren wir die 10 Gebote und das Doppelgebot der Liebe, aber auch da greift die Frage nach Projektion: Sind diese Ordnungen wirklich göttlich oder von Menschen konstruiert? Oder möglicherweise ursprünglich göttlich und dann menschlich manipuliert, interpretiert, zensiert? Denken Sie nur an das Eheverständnis, das Tötungsverbot oder den Ehebruch…
Und woher nehmen wir unser Wissen über Gottes Willen?
Ein klassischer Ansatz ist die Gottesebenbildlichkeit. Gott schafft sich uns ähnlich! Dieser Ansatz wird üblicherweise aus dem Schöpfungsbericht extrahiert mit der Schwierigkeit, dass die Schöpfungsberichte zu den jüngsten Texten des Alten Testamenten gehören. Einen besseren Ansatz finden wir in der Kommunikationsfähigkeit mit Gott. Wenn Gott sich uns vorstellt, damit wir zu ihm sprechen können, dann muss dem Menschsein innewohnen, dass er mit Gott kommunizieren kann. Schon Luther nannte diese Fähigkeit des Menschen zur Religiosität die Besonderheit, die ihn von den Tieren unterscheidet.
Liebe FreundInnen und Freunde der lutherlounge,
wenn Gott sich uns also mit Namen vorstellt und die Besonderheit des Menschen ist, dass er mit Gott kommunizieren kann, dann ist Gottes Vorstellung vom Menschen wohl, dass der Mensch zu ihm spricht. Hier schließt sich der Kreis zum: Fürchte Dich nicht! und Ich will mit Dir sein!
Und die Vorstellung in Bezug auf die Geschöpfe und Schöpfung?
Der Apostel Paulus sagt zu den Römern: Freut euch mit den Fröhlichen, weint mit den Weinenden und ich meine, damit hat Paulus sehr genau getroffen, was es heißt, im Namen Gottes und mit seinem Namen zu wirken. Das ist beten mit unserem Leben, auch dafür hat er uns seinen Namen gegeben.
Jesus hat mit den Menschen gesprochen, den Sündern, den Ehebrechern, den Zöllnern, den Aussätzigen und hat vor allem eins gesagt: Gottes Name ist auch Euch gesagt. Es gibt kein Ausschluss für euch von Gottes Liebe. Euch sind Eure Sünden vergeben. – Steigt wieder ein in die Kommunikation mit Gott.
Luther hat das Gespräch mit Gott zu einem Menschenrecht erklärt (die es damals noch nicht gab), es ist nicht nur Einzelnen vorbehalten und Luther nannte dieses Recht: das Priestertum aller Gläubigen.
Manchmal lassen wir dieses Recht jederzeit zu Gott zu reden auch schleifen…
Mein Sohn Linus hat mir meine Karte mit der Nummer zuhause nach dem Konzert wiedergegeben, er braucht sie nicht mehr, er ist wieder zuhause, da fühlt er sich sicher.
Ich glaube vielen Menschen, die Gottes Namen haben geht es ähnlich. In guten Zeiten brauchen Sie seinen Namen nicht, das ist auch nicht böse gemeint, aber es ist sicher nicht Gottes Vorstellung für uns.
Und die Schöpfung. Was gilt für den Menschen in Bezug auf den Rest der Schöpfung?
Nach biblischer Vorstellung gibt Gott die Erde den Menschen, um sie zu bebauen.
Eine Art Überlassungsvertrag, damit der Mensch davon leben kann. Eine begrenzte Freiheit, denn die Erde ist endlich und war es auch schon im Bewusstsein der alttestamentlichen Zeit.
Es braucht einen verantworteten Umgang mit der endlichen Ressource Erde, das hat sich bis heute nicht geändert. Im Paradies bekam der Mensch von Gott den Auftrag, allen Teilen der Schöpfung Namen zu geben, d.h. in Beziehung zu ihnen zu treten. Auch das ist ein Kommunikationsgeschehen und genauso, wie Gott uns Namen gegeben hat und uns seinen Namen geschenkt hat, so könnten wir es auch tun: uns der Schöpfung vorstellen, als das was wir sind Geschöpfe, die selbst bei Namen gerufen werden. Das ändert sicher auch heilend den Blick auf diese Welt.
Wie Gott sich uns vorstellt?
Mit seinem Namen!
Daran sollten wir uns ein Beispiel nehmen und auch uns der Welt und ihren Geschöpfen vorstellen, als das, was wir sind:
Menschen die von Gott angesprochen werden und sich ansprechen lassen.
Gott hat sich dabei etwas gedacht!
AMEN
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